Ein nackt durch die Straßen rennender Archimedes, der vor Begeisterung vergessen hat, sich anzuziehen – eine skurrile Szene, die den Moment seiner bahnbrechenden Entdeckung beschreibt.
Der Legende nach war Archimedes so begeistert von seiner gerade gemachten Entdeckung, dass er ganz vergaß, sich etwas anzuziehen. Tagelang hatte er nach einer Möglichkeit gesucht, die Echtheit der Goldes der Königskrone zu beweisen, ohne sie zu zerstören. Im Bad dann der (er)lösende Gedanke: Anhand der Menge des verdrängten Wassers, so kam es ihm in den Sinn, könne man die Dichte eines Körpers bestimmen. Er ahnte, dass eine Krone aus reinem Gold weniger Wasser verdrängen würde als eine Krone aus einer Mischung von Gold und Silber.
Diese Geschichte führt uns zu der Frage: Was treibt Menschen dazu an, sich tiefgründig mit Themen auseinanderzusetzen, oft über Jahre hinweg?
Die zwei Arten: Extrinsische und intrinsische Motivation
Die Antwort liegt in der intrinsischen Motivation, einem inneren Antrieb, der von Interesse, Leidenschaft und Freude getrieben wird. Im Gegensatz dazu steht die extrinsische Motivation, die von äußeren Belohnungen wie Geld, Anerkennung oder Lob abhängt. Doch warum ist die intrinsische Motivation so kraftvoll?
Intrinsische Motivation erhalten wir meist
- aus der Tätigkeit selbst (Ich liebe Stricken)
- aus dem Werte-Empfinden unserer Tätigkeit (z.B. Ich liebe es, jemandem zu helfen, indem ich ihm einen warmen Pullover stricke)
- Doch warum ist die intrinsische Motivation so kraftvoll?
Extrinsische Motivation dagegen hängt von äußerer Belohnung ab. Wir erhalten sie meist in Form von:
- Geld (Ich stricke für Geld, um den Pullover zu verkaufen)
- Wertschätzung, Aufmerksamkeit, Lob, Likes (Ich stricke, um für mein fabelhaftes Strickoutfit gelobt zu werden.)
Ein Blick auf das Konzept des Flow liefert Antworten. Wenn wir intrinsisch motiviert sind, erleben wir oft ein Flow-Erlebnis, in dem Aufgaben mühelos von der Hand gehen und die Zeit wie im Flug vergeht. Dieser Zustand kann nicht geplant werden, aber günstige Rahmenbedingungen wie das richtige Maß an Herausforderung und weniger Druck können dazu beitragen.
Der Korrumpierungseffekt
Doch Vorsicht vor dem Korrumpierungseffekt! Extrinsische Belohnungen, besonders materielle, können langfristig die intrinsische Motivation beeinträchtigen.
In einem Experiment in den 1970er Jahren wurde das Malverhalten von Vorschulkindern mit Magic Markern beobachtet. Zu dieser Zeit galt das Malen mit Magic Markern als äußerst beliebt, und die Kinder zeigten eine ausgeprägte intrinsische Motivation dafür.
Das bestehende Malverhalten wurde nach der ersten Beobachtung als Referenzniveau festgehalten. Anschließend wurde den Kindern eine Belohnung für ihre gemalten Bilder versprochen. Nach einiger Zeit wurde jedoch angekündigt, dass es keine Belohnung mehr geben würde, aber die Kinder weiterhin nach Belieben malen durften.
Welchen Einfluss hatten diese Interventionen?
Nach der Ankündigung der Belohnung malten die Kinder zunächst mehr Bilder als zuvor. Als die Belohnung jedoch wegfiel, sank die Malaktivität sogar unter das ursprüngliche Niveau. Die Kinder malten weniger als zu Beginn, und die Qualität ihrer Ergebnisse verschlechterte sich, sie wurden weniger kreativ.
Dieses Experiment enthüllt den Korrumpierungseffekt (overjustification effect). Das bedeutet: Materielle (= externe) Anreize können die innere Motivation langfristig bremsen.
Diese Ergebnisse wurden in anderen Studien bestätigt, und es stellte sich heraus:
- Extrinsische (vor allem materielle) Belohnungen verringern die intrinsische Motivation.
- Extrinsische Belohnungen führen oft dazu, dass Menschen sich in ihrer Autonomie eingeschränkt fühlen, da die Belohnung als „externe Verhaltenskontrolle“ wahrgenommen wird.
- Werden extrinsische Belohnungen nicht als kontrollierend wahrgenommen, kann die intrinsische Motivation steigen.
- Positives verbales Feedback wirkt sich positiv auf die intrinsische Motivation aus.
Anreiz-Debakel: Der Kobra-Effekt
Der Kobra-Effekt, eine Anekdote über die unerwünschten Folgen von falschen Anreizen, verdeutlicht ebenfalls, wie extrinsische Belohnungen zu unerwünschtem Verhalten führen können.
So konnte es nicht länger weitergehen!
Der Gouverneur sah sich gezwungen zu handeln und hatte schließlich die rettende Idee. Um der akuten Kobra-Plage Einhalt zu gebieten, erließ er ein Kopfgeld für jede getötete Schlange. Die Belohnung bestand aus Mäusen – dem Geldmittel. Anfangs schien die Idee Früchte zu tragen, doch der Gouverneur hatte nicht mit der List seiner Bevölkerung gerechnet: Um möglichst viel Kopfgeld zu erhalten, begannen einige, heimlich Kobras zu züchten.
Als das Kopfgeld schließlich eingestellt wurde, aufgrund der erkannten fehlgeleiteten Anreize, wurden die gezüchteten Kobras freigelassen. Das Ergebnis: Es gab nun sogar mehr Kobras als zuvor.
Ups.
Der Wahrheitsgehalt dieser Anekdote ist umstritten, dennoch wird dieser Effekt der Verschlimmbesserung und der kontraproduktiven Anreize als Kobra-Effekt bezeichnet.
Ein ähnlicher (wahrer) Vorfall ereignete sich in Vietnam während einer Mäuseplage. Eine Belohnung wurde für vorgelegte Mäuseschwänze ausgesetzt (Schwanzgeld statt Kopfgeld). Allerdings wurden viele Mäuse nach dem Abschneiden ihrer Schwänze wieder freigelassen, um die Einkommensquellen ihrer Jäger nicht versiegen zu lassen. Da die Fortpflanzung bei Mäusen auch ohne Mäuseschwanz möglich ist, war auch hier das Ergebnis: außer Spesen nichts gewesen.
Autonomie: Selbstbestimmtes Handeln motiviert
Die Selbstbestimmungstheorie betont die Bedeutung von Autonomie für die Motivation. Ein selbstbestimmter Handlungsrahmen fördert die intrinsische Motivation, während Einschränkungen dazu führen können, dass Menschen nach Autonomie streben und in einen Zustand der Reaktanz geraten.
Im Fall der Magic Marker Kids haben wir beobachtet, dass die intrinsische Motivation abnimmt, wenn wir das Gefühl haben, kontrolliert zu werden. Dies geschieht, weil die Kontrolle durch andere unser Bedürfnis nach Autonomie beeinträchtigt, welches ein grundlegendes psychologisches Bedürfnis ist. Wenn wir spüren, dass unser Handlungsspielraum eingeschränkt ist oder uns Kontrolle aufgezwungen wird, nimmt unsere Motivation ab.
Im Gegensatz dazu steigert das Gefühl von Autonomie unsere Motivation positiv. Die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination Theory, SDT) beschäftigt sich genau mit diesem Effekt. Laut dieser Theorie spielt Autonomie eine entscheidende Rolle für unsere Motivation. Die SDT besagt, dass wir motivierter sind, wenn wir ein gewisses Maß an (1) Autonomie, (2) Kompetenz und (3) sozialer Eingebundenheit erleben.
Auch bei extrinsischer Motivation ist der Grad der Autonomie von großer Bedeutung. Wenn die extrinsische Motivation sehr autonom ist, kann sie beinahe so wirksam sein wie intrinsische Motivation.
Um es einfach auszudrücken: Mehr Autonomie führt zu mehr Motivation, mehr Engagement und einem gesteigerten Wohlbefinden.
Growth Mindset: Alles eine Frage der Haltung
Das Growth Mindset, eine Idee von Carol Dweck, betont den Glauben daran, dass Fähigkeiten durch Anstrengung und Lernen verbessert werden können. Diese positive Haltung fördert die intrinsische Motivation, da Misserfolge nicht als Fehler, sondern als Teil des Wachstumsprozesses betrachtet werden.
Das Growth Mindset drückt eine Haltung aus, eine bestimmte Art, die Dinge zu sehen. Menschen mit dieser Denkweise glauben fest daran, dass Fähigkeiten durch Anstrengung und Lernen verbessert werden können. Für sie sind Fehlschläge keine Fehler, sondern ein Bestandteil des natürlichen Wachstumsprozesses. Sie setzen auf dauerhafte persönliche Entwicklung anstelle von Talent. Wer diese Überzeugung hat, hat weniger Angst vor Niederlagen. Auf die Nase gefallen? So what! Aufstehen und weitermachen. Außerdem sehen sie Mitmenschen nicht als Konkurrenten, sondern sie dienen als Inspiration – und um von ihnen zu lernen.
Wenn wir glauben, dass wir unsere Fähigkeiten selbst verbessern können, entwickeln wir eine intrinsische Motivation für das Lernen. Das bedeutet: Wer ein Growth Mindset kultiviert, ist grundsätzlich motivierter, Herausforderungen anzunehmen, sich weiterzuentwickeln und lässt sich durch Rückschläge weniger aus dem Konzept bringen. Und das wiederum bedeutet:
Ein Growth Mindset fördert die Selbstwirksamkeit.
Selbstwirksamkeit
Selbstwirksamkeit, das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Herausforderungen zu bewältigen, ist ein weiterer Schlüsselaspekt intrinsischer Motivation. Durch Erfolgserlebnisse, das Beobachten erfolgreicher anderer, positive Unterstützung und ein gutes körperliches und emotionales Wohlbefinden kann die Selbstwirksamkeit gestärkt werden.
Richtungen der Motivation: Hin-zu oder weg-von
Betrachten wir das Thema Motivation aus einer weiteren Perspektive: Der Richtung. Denn grundsätzlich gibt es (nur) zwei psychologische Richtungen, in die wir uns bewegen: “hin zu” oder “weg von”. Dabei geht es darum, inwieweit wir entweder positive Ziele und Belohnungen anstreben („hin zu“) oder negative Konsequenzen oder Bestrafungen vermeiden wollen („weg von“).
Meistens haben wir einen Motivations-Mix aus beiden Richtungen.
Doch wieso ist das überhaupt ein relevanter Unterschied?
Ein “weg-von”-Ziel können wir nicht wirklich erreichen. Lautet unsere Zielsetzung “keinen Ärger zu haben” sind wir ständig auf der Flucht. Es wird nie eine Zeit ohne jeden Ärger geben und deshalb können wir dieses Ziel nie erreichen. Lautet das Ziel aber “Gelassenheit” haben wir eine klare Ausrichtung, bei der wir unseren Fortschritt beobachten können. Bonus: Bei hin-zu-Erfolgen bekommen wir direkt eine Portion Selbstwirksamkeit mitgeliefert.
Beispiele sind:
- Kein Stress haben vs. gelassen sein
- Ärger vermeiden vs. eine Lösung finden
- Krankheitsvermeidung vs. Gesundheitsorientierung
Als artverwandte Frage zur Selbstreflexion kann auch dieses Duo dienen:
- Handel ich aus Freude?
- Oder handel ich aus Angst?
Fazit
Motivation ist also komplex, und es gibt keine einheitliche Lösung. Die vorgestellten Theorien dienen als Leitfaden und helfen, die vielfältigen Einflüsse auf unsere Motivation zu verstehen. Letztendlich bleibt die Welt bunt und nuanciert, und diese Erkenntnisse können uns dabei unterstützen, nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Mitmenschen besser zu verstehen.